J/24 – das Boot aus der Garage
Als Rodney S. Johnstone im Jahr 1976 schnelles, leicht zu segelndes Boot für seine Kinder entwarf, ahnte er nicht, welchen Boom seine Konstruktion auslösen sollte. Heute gilt die J/24 als größte One-Design-Kielbootklasse der Welt.
„Ragtime“ hieß die Ur-J/24, die den Grundstein für bis heute rund 5300 gebaute Boote legte. Sie entstand nicht etwa in einer Werft, sondern in der Garage der Familie Johnstone, und bildete quasi die Keimzelle für das heute als J-Boats international bekannte Familienunternehmen.
Am 15. Mai 1976 wurde die „Ragtime“ zu Wasser gelassen, und schon in der ersten Saison segelten Johnstones Söhne mit ihr so erfolgreich, dass dieser den Auftrag gab, eine Form zur Serienproduktion zu bauen. Das einfache, trailerbare One-Design-Konzept – keine Backstagen, limitierte Segelgarderobe und übersichtliche Trimmmöglichkeiten – stieß auf so großes Interesse, dass 1978 eine Klassenvereinigung gegründet und die J/24 im Jahr 1981 zur internationalen Klasse erklärt wurde.
Viele erfolgreiche Seglerinnen und Segler begannen ihre Karriere auf der J/24, darunter Legenden wie Ken Read und John Kostecki. Auch in der deutschen Segelszene nahmen erfolgreiche Segelkarrieren in der J/24 ihren Anfang. Legendär beispielsweise das Damen-Team „Antigen“, dessen Kerncrew um Steuerfrau Kirsten Harmstorf heute mit der DK 46 „Tutima“ regelmäßig in den Punkterängen der ORC 1-Wertung zu finden ist. Auch das Bundesligateam des Blankeneser sowie des Mühlenberger Segelclubs stammt zu großen Teilen aus der J/24. Das Team vom „Hungrigen Wolf“ alias “heat” machte 2016 mit dem Sieg bei der hochkarätig besetzten WM der Farr 30 von sich reden.
Dabei verbreitete sich die J/24 in Deutschland zunächst eher schleppend. Zwar kam das erste Boot bereits 1979 nach Deutschland, doch bis 1983 wurden nur drei Boote verkauft. „Am Anfang sind wir bei der Kieler Woche noch die Langstreckenregatten mitgesegelt“, erinnert sich Olaf Schmidt, der von Beginn an J/24 segelte, zunächst auf der „“Vabene“ und seither auf der „Vitesse“; „morgens in Kiel los, dann bis Fehmarn und zurück. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen!“ Erst in den Neunziger Jahren begann die Flotte, schnell zu wachsen. Damals entdeckten Vereine das Boot als Möglichkeit, Jugendliche für sportliches Segeln jenseits der olympischen Klassen zu begeistern. Denn die Klassenvorschriften schließen die Verwendung von High-Tech-Material aus, sodass eine J/24 für vergleichsweise wenig Geld regattaklar gehalten werden kann und auch ältere Boote konkurrenzfähig sind. Heute kommen zu Klassenregatten zwischen 20 und 40 Boote – auch diese großen Felder sind es, die die Klasse so attraktiv machen.
Ganz selbstverständlich segelten von Anfang an auch reine Frauenteams in der J/24. Das Gewichtslimit von 400 Kilo sorgt dafür, dass Männer ihren Massevorteil nicht ausspielen können. Männer segeln die J/24 zu fünft, Frauen zu sechst.
Das Leistungsniveau der deutschen J/24-Flotte ist hoch. Das zeigte sich zuletzt bei der Weltmeisterschaft 2018 am Gardasee, wo drei deutsche Teams in die Top Ten segelten. Doch keines der Top-Teams macht ein Geheimnis aus seinen Trimmeinstellungen. Erfahrene Segler geben gerne ihre Wantenspannung weiter, kommen bei unerfahrenen Teams an Bord und geben Ratschläge. „Wir wollen ja, dass alle konkurrenzfähig bleiben“, sagt Olaf Schmidt.
Nicht nur der Zusammenhalt, sondern auch der Feierwille der J/24-Flotte ist legendär. Gerne erinnert man sich beispielsweise an die German Open in Glücksburg 2013. Der ausrichtende Flensburger Segel-Club hatte nur bis Mitternacht einen DJ gebucht. Den Seglern war das egal: Sie sangen und tanzten einfach ohne Musik in der Bootshalle weiter. Und dass, wie auf der Europameisterschaft in Plymouth 2016, alle Teilnehmer geschlossen einer Karaoke-Bar stürmen, kann man sicher nicht in jeder Segelklasse erwarten. Das Boot aus der Garage ist eben etwas Besonderes.